Frauen und Männer - heute und früher
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
... Das ist alles richtig, nur läßt sich doch nicht von der Hand weisen, daß die Übertragung des Ehegatten-Status, wenn überhaupt, stets vom Mann auf die Frau stattfindet. Nie umgekehrt ...
Mir ging es in meinen Anmerkungen vor allem darum, eine differenziertere Beurteilung nahezulegen. Elke Philburn hatte nämlich genauso absolut wie auch in dem obigen, neueren Zitat formuliert: "... wobei die Übertragung des beruflichen Status immer nur vom Mann auf die Frau stattfindet.
Das stimmt als starke Tendenz, aber immer nur oder stets ist nicht richtig. Zum Beispiel hat Petra Gerster, die prominente Redakteurin und Nachrichtensprecherin des ZDF, gemeinsam mit ihrem Ehemann Christian Nürnberger den Bestseller Der Erziehungsnotstand geschrieben, und die beiden haben an zahlreichen Diskussionen über das Thema teilgenommen. Herr Nürnberger berichtet (nicht erst seitdem) über seinen anstrengenden und vergeblichen Kampf dagegen, daß er wenn überhaupt immer als der Mann von Frau Gerster vorgestellt wird, als Partner der prominenten Redakteurin, anstatt als Schriftsteller von eigenem Rang. Vom Plakat bis hin zur Aufmerksamkeit, die der Person gilt.
Deshalb habe ich versucht, den angeblich allein ausschlaggebenden Faktor Geschlecht (bzw. sein Einfluß in unserer Gesellschaft) zu relativieren.
Bei seine Witwe vs. ihr Witwer ist das Ungleichgewicht, wie Frau Philburn richtig darlegt, sprachlich noch größer, als es der Statistik Witwen vs. Witwer entspräche. Auch hier muß man aber weiterdenken, anstatt einfach eine Voreingenommenheit bei der Geschlechteroptik im rechnerisch noch fehlenden Ausmaß anzunehmen. So hatte ich darauf hingewiesen, daß Witwer viel eher wieder heiraten als Witwen. Bei ihnen ist es gar nicht so sicher, daß sie Witwer bleiben, wenn sie Witwer geworden sind anders als bei den Witwen, rein statistisch festgestellt. Somit ist der Status einer Witwe gewissermaßen immer noch endgültiger, eindeutiger als der Status eines Witwers; entsprechend hat die Umwelt bei einer hinterlassenen Frau eher die Anschauung, daß der Mann sie durch seinen Tod zur Witwe gemacht hat: seine Witwe. Und deshalb wird auch mehr zu dieser Formulierung gegriffen.
Weiter muß man bedenken, daß Sprache sehr viel Überlieferung und Tradition enthält. Wir haben viele tausend Ausdrücke, denen man sofort ansieht, daß sie in vergangenen Jahrhunderten entstanden sind, und sie werden einfach aus Tradition auch auch die heutigen Verhältnisse angewendet, auch wenn die sich vollkommen gewandelt haben mögen und teilweise die angesprochenen Gegenstände überhaupt nicht mehr existieren: keinen Heller wert, neuen Wein in alte Schläuche füllen u. v. a. Wenn jemand die Formulierung neuen Wein in alte Schläuche füllen verwendet, kann man daraus ja nicht schlußfolgern, daß es heute üblich sei, Wein in Schläuche (womöglich aus Ziegenleder) abzufüllen. Dasselbe gilt auch für Formulierungen wie seine Witwe. Somit sagt deren große relative Häufigkeit nicht unbedingt etwas darüber aus, wie Frauen HEUTE in ihrem Verhältnis zu ihren Partnern wahrgenommen werden, sondern möglicherweise vor allem etwas darüber, wie Frauen FRÜHER, in vergangenen Jahrhunderten, wahrgenommen wurden. Sprache hinkt in vielen Details der Gegenwart um Jahrzehnte und Jahrhunderte hinterher.
Mir ging es nur um diese Differenzierung.
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