Lesenswertes aus dem Spiegel-Forum
Doug Patterson 02:41am Jan 27, 2002 CEST (#2693 of 2703)
Gestern Abend, habe ich bei einem Fruend in seinem neuen Duden eine Erklaerung der Rechtschreibenreform gelesen.
Was Ich nicht verstehe, ist wie jemand sich ueber diese immateriellen orthographischen Aenderungen aufregen kann.
Sigmar Salzburg 04:53pm Jan 29, 2002 CEST (#2694 of 2703
Weil damit eine kleine Mafia dummfurziger Schreibideologen, schnarchnasiger Politiker und profitgeiler Medienmoguln unter Milliardenkosten und durch Erpressung über das Schulwesen einen Bruch der Schreibtradition verursacht, eine durchgängige Verschlechterung mit dem Volksbetrug der Lernerleichterung propagiert, dafür Millionen intelligenter Schreiber zu Rechtschreibstümpern macht, den Volkswillen, die Demokratie mißachtet (1) und mit Juristentricks aushebelt (2), eine allgemeine Verwahrlosung der Rechtschreibung bewirkt, aber auch des Anstandes, der Höflichkeit und der wissenschaftlichen Redlichkeit.(3). Dafür ist die neue ss/ß-Schreibung der Geßlerhut, an der jeder seiner Unterwürfigkeit, Beflissenheit oder Abhängigkeit offenbaren kann oder muß.
(1) In Schleswig-Holstein wurde die Bürokratenschreibe von 70 Prozent der Wähler abgelehnt. Alle Umfragen ergeben eine ähnliche Ablehnung, die nun durch eine flächendeckende Zwangsmissionierung abgebaut werden soll.
(2) Fast vierzig Gerichtsentscheidungen hat es gegeben, teils ablehnend, teils reformfeundlich. Das Bundesverfassungsgericht als oberste Instanz hatte jedoch keinen Passus in der Verfassung gefunden, die die Politiker hindern könnte, Regelungen für die Rechtschreibung zu treffen. Naturgemäß findet sich in der Verfassung auch kein Artikel gegen Politikerdummheit.
(3) Guido Knopp wandelt in seinen III-Reich-Bestsellern sämtliche Originaldokumente der Zeit in die Neuschreibung um; die große Dudenausgabe suggeriert, das sämtliche Schriftsteller des 20. Jhdts. die neue Stümmelschreibung verwendet haben; Artikel und Leserbriefe werden gegen den Willen der Autoren in den Neuschrieb konvertiert; die Schulen lehren, daß das höflich großgeschriebene Du ein Rechtschreibfehler sei . (Umgangsformen fallen überhaupt nicht in die Regelungskompetenz der Kultusminister, aber wer bremst da die Politiker?)
Doug Patterson 08:20pm Jan 29, 2002 CEST (#2695 of 2703)
Ich weiss, dass viele Menschen in Deutschland sich ueber diese Kleinigkeiten aufregen. Was ich gerne wissen wuerde, ist warum?
Sigmar Salzburg- 03:54pm Jan 30, 2002 CEST (#2696 of 2703)
Mißachtung der Demokratie eine Kleinigkeit? Geldverschwendung eine Kleinigkeit? usw. usw. Wer Kleindiktatoren zuläßt, wird auch irgendwann wieder Großdiktatoren zulassen!
Doug Patterson 09:23pm Jan 30, 2002 CEST (#2697 of 2703)
Wir erzaehlen hier von Orthographie, nicht von Weltpolitik. Leben und Sterben ist nicht die Frage.
Beate Scharf 09:01am Jan 31, 2002 CEST (#2698 of 2703)
Mein Leserbrief an den Spiegel: wie soll ich denn nun Ihre Überschrift US-Justizminister lässt halb nackte Statue verhüllen verstehen? Welche Hälfte läßt er verhüllen? Die linke, rechte, obere oder untere? Und warum nur halb? Reicht das Geld nicht mehr oder handelt es sich um die Freiheitsstatue, die höchstens von Christo ganz bewältigt werden kann? Normalerweise werden Statuen doch von Ministern ENThüllt? Oder fürchtet man in Amerika (siehe ENRON) jetzt Enthüllungen zu sehr?
Jedenfalls möchte ich hiermit enthüllen, daß die sogenannte Rechtschreibreform die Lesbarkeit erschwert, den Wortschatz verringert und daß ausgerechnet der Spiegel vor germanistischen Tieffliegern kriecht.
Beate Scharf 09:02am Jan 31, 2002 CEST (#2699 of 2703)
Zu # 2697
Dihr mister Peatterson, ssi Ämeriken längwitsch schutt alsou häf a Rechtschreibreform. Du ju laik mai satschetschen?
Das ist die falsche Fragestellung: da die wichtige Politik und dort die unwichtige Rechtschreibung. Wie weit dürfen Politker in Kultur und menschliche Kommunikation eingreifen um geldgierige Verlage zu bedienen? Dürfen sie das sogar gegen eine große Mehrheit des Volkes und der Sachverständigen?
Doug Patterson 09:05pm Jan 31, 2002 CEST (#2700 of 2703)
Unsere Politiker interessieren sich ueberhaupt nicht von Orthographie. In Amerika der Sprachdiktator war Webster mit seinem Woerterbuch.
Caxton in England hat unsere Orthographie zuerst etabliert; und Studenten der Englische Sprache haben ueber seine arbitraeren und manchmal bezarren Konventionen ihre Koepfe zerbrechen muessen: hoe, tow, sew, dough, etc.
Eine effektive Orthographie sollte einfach und und ausreichend sein. Sie sollte Kommunikation foerdern und nicht hindern.
Doug Patterson 05:54am Feb 5, 2002 CEST (#2701 of 2703)
Mein Punkt war, dass Orthographie nur ein Instrument ist. Effektiv Kommunikation ist der Zweck. Die Orthographie der englischen Sprache koennte einfacher und dadurch effektiver werden. Bei uns waere Rechtschreibreform willkommen. George Bernard Shaw wollte sie rationalizieren; aber die Konservativer lieben ihren unsystematischen System weil sie die Schulkinder damit quaelen koennen.
Beate Riemenschneider 08:51am Feb 8, 2002 CEST (#2702 of 2703)
Dann können Sie ja den Frust der Deutschen über ihre reformierte Rechtschreibung verstehen: Nicht nur ist ein Umlernen erforderlich, was den Rechtschreibschwachen nicht gerade leicht fällt, sondern das neue System steht dem alten an Kompliziertheit in nichts nach. Das Resultat spricht für sich: Kaum jemand ist in der Lage, die neue Rechtschreibung fehlerlos umzusetzen. Es bleibt Stümperwerk.
Kojo T 02:00pm Feb 8, 2002 CEST (#2703 of 2703)
zu #2701 Doug Patterson: Mein Punkt war, dass Orthographie nur ein Instrument ist. Effektiv Kommunikation ist der Zweck. Die Orthographie der englischen Sprache koennte einfacher und dadurch effektiver werden.
Wenn hier in deutschen Landen etwas derartiges wie eine Rechtschreibreform geschieht, dann handelt es sich nicht um etwas, das man als Bürger nachvollziehen oder bleiben lassen kann, nein, je heftiger die Gegenwehr, desto mehr muß der unmündige Unterthan(!) unter Kuratel gestellt werden.
Gut, man hätte schon frühzeitig über die einer absolutistischen Staatsform würdige Anmaßung stolpern können, den Unterthanen eine neue Schreibung zuzumuten. Aber obiges gilt durchaus auch für die deutsche Sprache, und deshalb war anfänglich kaum Protest gegen Reformbestrebungen zu hören, auch nicht von denen, die Sprache als Werkzeug nutzen. Nur, daß diese Änderungen von einem insgesamt de fakto völlig inkompetenten bzw. funktionsunfähigen Viele-Köche-Gremium ausgearbeitet wurden und den Betroffenen zwangsweise zugemutet werden. Das vorgegebene Ziel war eine Vereinfachung der Schreibung. Das Ergebnis ist ein Konglomerat aus vielerlei stümmelhaften Ansätzen (sogenannter Regeln), die über die völlig willkürlich erscheinenden Einzelfälle hinaus, für die sie geschaffen wurden, keinerlei Gültigkeit haben; genau diese allgemeine Gültigkeit aber wurde suggeriert. Insgesamt habe ich bis heute keinerlei Erleichterung festgestellt, nur willkürliche, sporadische Veränderungen, die insgesamt statt weniger eher deutlich mehr Chaos in die Schreibung bringen. Offenbar hat da ein Gremium (bzw. dessen politische Initiatoren), das an der Aufgabe einer Rechtschreibreform in grandioser Weise gescheitert ist, eines, das sich zu keinem einzigen(!) noch so einfachen Reformansatz wirklich durchringen konnte, sein offenkundiges Scheitern nicht zugeben können. Und das Ergebnis dieses Scheitern wird jetzt jedem Leser und Schreiber zwangsweise zugemutet. Darüberhinaus wird auf so perfide wie durchschaubare Weise scheinheilig so getan, als hätten die Deutschsprachigen jetzt selbst in der Hand, welche der Änderungen sie akzeptieren und welche nicht dabei wird alles getan, diesen Willen des Volkes nicht feststellen zu können.
Das Ganze war überhaupt keine Rechtschreibreform, dafür sind die Änderungen völlig ungeeignet und völlig unzureichend, sondern ein Test auf Obrigkeitshörigkeit. Dies und die Frechheit und Hartnäckigkeit, mit der dieser Test durchgeführt wird, begründen den Protest. Das weitgehende Einknicken selbsternannter Kontrollorganen wie der freien Presse mindern ihn nicht.
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