Demokratie und Duckmäuserei vor dem Geßlerhut?
Bei einer Textanalyse darf man nicht den situativen Kontext und das personale und soziale Umfeld außer acht lassen. Sonst kommt es zu einer einseitigen und damit falschen Interpretation.
Es geht doch realistisch gesehen nicht um den Großteil der Sprachgemeinschaft, wie Elke Philburn meint; denn rund 90 Prozent der Bevölkerung schreiben weiterhin die altbewährte normale Rechtschreibung.
Es geht vielmehr um eine Minderheit von Schreibberuflern, die gezwungen oder freiwillig die neue Rechtschreibung anwenden. Diese Schreibberufler haben keine vage, sondern eine sehr konkrete Vorstellung von den Schwierigkeiten der Rechtschreibreform, mit denen sie sich täglich herumärgern. Jochen Thron beschreibt zum Beispiel in seinem Leitartikel: Wildwest der Wörter in der Südwest-Presse den Ärger der Leser und Journalisten über die Rechtschreibreform.
Nur um diesen relativ kleinen Kreis geht es, z.B. um die Lehrer, von denen ein Großteil wider besseres Wissen mitmacht, ohne zu protestieren. Borghild Niemann hat in ihrem Leserbrief Ohne Antwort vom Kulturstaatsminister in der FAZ vom 30.3.2002 gezeigt, daß es sogar zu den Dienstpflichten gehört, Bedenken gegen die Rechtschreibreform dienstlich vorzutragen und dem Dienstherrn die Wahrheit zu sagen. Es ist sogar ein Verstoß gegen den Beamteneid, wenn Lehrer wider besseres Wissen nicht protestieren, weil sie sich aus Karrieregründen nicht exponieren wollen. Wie sollen Lehrer oder gar Professoren, die sich als Duckmäuser verhalten, die Schüler und Studenten zur Demokratiefähigkeit erziehen?
Eine andere Gruppe von Schreibberuflern sind die Journalisten. Sie sollen die ‚Sturmgeschütze der Demokratie', aber keine Duckmäuser sein, wenn sie ihren Beruf ernst nehmen. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Presse ist finanziell unabhängig und daher reformfrei, vgl. die Liste der reformfreien Zeitungen und Zeitschriften, angeführt von der FAZ, in http://www.gutes-deutsch.de.
Bei den Schriftstellern weigert sich ein Großteil, den Neuschrieb anzuwenden. Solche Schriftsteller können das Gewissen der Nation sein. Aber selbst so bekannte Schriftsteller wie Rafik Schami geben dem Druck eines Verlegers nach.
An anderer Stelle hat man die Verwendung des Wörtchens dass als die Verbeugung vor dem Geßlerhut bezeichnet. Das aber ist auch nichts anderes als Duckmäuserei.
Es dürfte klar sein, daß keine Schüler oder Studenten gemeint sein können, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Studiendirektor Friedrich Denk protestierte: Die Schüler werden zu Geiseln und die Schulen zum Nasenring, an dem die widerspenstige Sprachgemeinschaft in die gewünschte Richtung gezerrt werden soll.
Wo es Duckmäuser gibt, da gibt es Leute, die als Rechtschreibdiktatoren Druck ausüben. Das sind die Kultusminister, die Innenminister und die Zeitungsverleger, die mit ihren Erlassen und ihrem sogenannten Tendenzschutz ihre Macht mißbrauchen.
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Manfred Riebe
Vorstandsmitglied des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
- Initiative gegen die Rechtschreibreform
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg
Manfred.Riebe@raytec.de
http://www.vrs-ev.de
Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen! (VRS)
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