In eigener Sache
Herr Jochems, dem ich sehr viel verdanke, hebt meine Verdienste für meinen Geschmack etwas zu sehr hervor, und wer mich kennt, weiß auch, daß ich keine „Meinungsführerschaft“ anstrebe, sondern lediglich Vorschläge unterbreite und für Diskussionen sehr viel übrig habe. Es ist mir zugefallen, die Kritik an der Rechtschreibreform zusammenzufassen und immer wieder zu Gehör zu bringen, und es freut mich ganz außerordentlich, dabei eine Reihe höchst eindrucksvoller und sympathischer Personen kennengelernt zu haben. Soviel dazu.
Wichtiger ist der immer wieder einmal hochgekochte Vorwurf der rechtsextremen Einstellung von Reformkritikern. Solche gibt es, daran ist nicht zu rütteln, und der Blick nach rechts scheint mir in dieser Hinsicht nichts Verkehrtes gesagt zu haben. Auch ich habe Anrufe und Zuschriften von Leuten erhalten, die „die Juden“ für die RSR verantwortlich machten. Das ist so abstoßend wie unvermeidlich, wenn man sich in irgendeiner Sache öffentlich äußert. Aus den USA kam zwei Jahre lang Nazipost, die ich teils ungeöffnet wegwarf, später dann aufhob, um sie eventuell der Staatsanwaltschaft zu übergeben; ich habe das ganze Zeug dann aber doch weggeworfen, zumal die Zusendungen auch aufhörten. Aus dem VRS bin ich nach kurzer Mitgliedschaft wieder ausgetreten, trotz seiner unbestreitbaren Verdienste. Heute könnte ich ohne Bedenken wieder eintreten, will aber möglichst gar nicht mehr zu irgendwelchen Vereinen gehören, weil es mich einfach zu viel Zeit und Kraft kostet, ein wachsames Auge auf Mitstreiter zu haben, mit denen ich vielleicht nichts zu tun haben möchte.
Wer sich um die deutsche Sprache bemüht, gerät besonders leicht unter falsche Freunde, die bloß ihr nationales Süppchen kochen wollen. Deshalb bin ich ja auch über den Titel „Sprachwahrer“ nicht so begeistert.
Andererseits fühle ich mich gegenüber extremen politischen Richtungen so unbefangen, daß ich keine übertriebenen Berührungsängste habe. Aufklärung kann jeder gebrauchen, sie schadet nie. In diesem Sinne habe ich sowohl der „Jungen Freiheit“ als auch dem „Neuen Deutschland“ Beiträge zum Abdruck überlassen bzw. Interviews gegeben. Obwohl ich zeitlebens um Studentenverbindungen immer einen großen Bogen gemacht habe, bin ich der Einladung einer bis bis dahin unbekannten Studentenverbidnung gefolgt und habe in meiner gewohnten Weise über die RSR referiert. Geschadet hat es nicht, und es hat auch noch keiner der Reformbetreiber versucht, mir daraus einen Strick zu drehen, wahrscheinlich weil ohnehin klar ist, daß ich ideologisch mit all diesen Leuten nichts zu tun habe.
Ich glaube auch, daß sich Gesinnungen wandeln können. Mancher wird vielleicht vom Elternhaus in die eine oder andere Richtung geführt, plappert etwas nach und kommt erst spät zu Einsicht. Ich habe das schon bei Klassenkameraden beobachtet. Auch ich selbst bin eigentlich immer damit beschäftigt, die eigenen Vorurteile und scheinbaren Selbstverständlichkeiten zu bekämpfen.
Die Kritik an der Rechtschreibreform hat für mich zwar (auch) einen politischen Charakter, aber keinen parteipolitischen. Glücklicherweise muß man sagen haben sich auch Unionspolitiker mit der Reform die Hände schmutzig gemacht, so daß die Front hier tatsächlich ganz klar ist: gegen staatliche Willkür und fachliche Inkompetenz, und die hat schließlich keine Partei für sich gepachtet. Im übrigen bedauere ich es, daß diese ganze Diskussion, die ja mehr die inneren Angelegenheiten des VRS betrifft, hier auf die Rechtschreibseiten verlagert worden ist, wo wir bisher weitgehend ohne ideologischen Ballast diskutieren konnten. Die sachliche Arbeit leidet ungeheuer darunter, wenn man alle paar Tage vor die Notwendigkeit ideologischer Abgrenzung gestellt wird. Es wäre schön, wenn die Gegener auf beiden Seiten soviel Größe aufbrächten, die Sache nun auf sich beruhen zu lassen oder sich ein anderes Forum zu suchen.
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Th. Ickler
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