Morgens notiert
Seit Herr Dräger mir aus gegebenem Anlaß vor ein paar Jahren einen Wurzelstock von Beinwell schenkte, habe ich meine liebe Not damit, den Ausbreitungsdrang dieser nützlichen Pflanze einzudämmen, was zusätzlich erschwert wird durch meine Unfähigkeit, sogenannte Unkräuter einfach auszujäten. Mein winziger Reihenhausvorgarten sieht entsprechend aus; Vorübergehende sehen überhaupt nur Unkraut, aber das stimmt natürlich nicht, es ist Botanik. Zur Zeit überwiegt Klatschmohn. Die Beinwell-Staude habe ich mehrmals zurückgestutzt, schweren Herzens. Ich will damit andeuten, daß DIESE Eigenschaft des Beinwells (der übrigens ebensogut ein paar Meter weiter wild wächst, so daß ich ihn eigentlich gar nicht brauche, aber Geschenke wirft man ja nicht einfach weg ...) außer Frage steht. Mein gebrochener Oberarm ist aber auch perfekt verheilt, ich spüre nichts mehr, nicht einmal beim Werfen. Bei dieser Gelegenheit will ich allfällige Besucher besagten Reihenhauses schonend darauf vorbereiten, daß ich auch kleinen Tieren gegenüber ein weiches Herz habe. Ein Hund würde mich stören, aber die vielen Spinnen sind wunderbar. Daher die Gespinste in jedem Zimmer, ungestört von menschlichem Speziesmus oder wie das politisch korrekt jetzt heißt. Auch Silberfischchen, die ein bewundernswert differenziertes Geschlechtsleben haben (bitte nachlesen!). Der Versuch, ein Stück Garten umzugraben, scheiterte an der simplen Tatsache, daß ich dabei auf ein kleines Wespennest stieß, hochinteressant, auch wie die sonderbar aussehende Art die unbeabsichtigte Störung bewältigte!
Nun mal was anderes. Lese gerade in der FAZ, daß Frau Schmoll die Theologie für die führende der drei Artes liberales hält. Das ist sie aber gerade nicht, und fatalerweise ergibt sich die Unfreiheit der Theologie gerade nicht aus der Bindung an handgreifliche Zwecke wie bei Juristerei und Medizin, sondern aus der Bindung an eine dogmatische Vorgabe, und genau deswegen ist die Theologie keine Wissenschaft und gehört eigentlich überhaupt nicht an staatliche Hochschulen. Dieser naheliegende Gedanke ist so ziemlich das einzige Tabu bei der FAZ, Deutschlands größter Kirchenzeitung, und es ist so stark, daß es Frau Schmolls besseres Wissen verdrängen konnte. Eine sprachliche Fehlleistung besonderer Art und daher auch für uns interessant.
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Th. Ickler
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