Deutsch und anders
Kürzlich zeichnete der Verein Deutsche Sprache die KMK als Sprachpanscher aus. Die Begründungen waren teils richtig (Rechtschreibreform), teils falsch (Frühbeginn des Englischunterrichts). Dabei weiß doch jeder, daß ein frühes und gründliches Erlernen des Englischen am ehesten immun macht gegen anglisierende Imponierbrocken.
Wenn man dem Englischunterricht etwas vorwerfen kann, dann ist es, daß er hierzulande viel zu lange dauert. Neun Jahre und bei Frühbeginn noch länger das geht einfach nicht! Fremdsprachen muß man schnell lernen und dann gebrauchen. In der Schule geht das nur, wenn man den Sachunterricht teilweise in der Fremdsprache veranstaltet. Der Geschichtsunterricht bietet sich an, weil er wenig Fachsprache hat, sondern sich weitgehend der allgemeinen Bildungssprache bedient, die man später noch sehr oft brauchen wird. Ich könnte mir vorstellen, daß dann in der Mittelstufe zum Beispiel Bücher von Gordon Craig im Original gelesen werden; The Germans bietet viel anregenden Stoff.
Meine Töchter haben früh Englisch gelernt und besuchen den bilingualen Zweig des Gymnasiums; eine gute Sache, und ihr Deutsch läßt auch nichts zu wünschen übrig.
Übrigens bestehe ich auf meinem Recht der freien Sprachenwahl bei Veröffentlichungen. Und wenn ich in Kürze einen Beitrag auf englisch veröffentliche, an dem ich gerade arbeite, dann werde ich ihn weder auch noch auf deutsch veröffentlichen, noch wüßte ich, wo und wie das geschehen könnte. So leicht ist es nämlich gar nicht, ein Organ zu finden, das Aufsätze (zumal wenn sie anderswo schon erschienen sind) abdruckt. Das scheinen sich die Deutschtümler noch nicht recht überlegt zu haben.
Das sprachenpolitische Hauptproblem besteht heute in der Anerkennung der Minderheitensprachen, nicht in der Durchsetzung der Mehrheitssprache. Letzteres ist ein Erbe der recht spät aufgekommenen Nationalstaaten, nicht immer zum Segen der Völker.
Die wirklichen Probleme werden in dem von H. Kelz herausgegebenen Sammelband, den ich vor ein paar Tagen vorgestellt habe, umsichtig diskutiert.
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Th. Ickler
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