Kasusnamen
Über die lateinischen Bezeichnungen der Kasus werden gewisse Legenden immer wieder aufgewärmt, so daß eine Richtigstellung vielleicht von allgemeinerem Interesse ist:
Zuerst was Triviales: Im Handbuch der deutschen Grammatik von Hentschel/Weydt(1990) steht 151ff., Ablativ komme von afferre was aber gerade das Gegenteil von wegtragen wäre. Richtig ist also auferre.
Genetiv wird zunächst richtig auf genus Geschlecht, Herkunft zurückgeführt, dann aber auf das griech. Vorbild genike ptosis die Gattung bezeichnend, im Sinne von allgemein. Richtig wäre: Abkunft, nach der griechischen Namensgebung mit dem Vatersnamen im Genitiv. Das war nämlich die typischste Verwendungsweise, und so findet man auch den Schlüssel zum nächsten Fall: Akkusativ wird üblicherweise auf ein Mißverständnis des griech. aitiatike (ptosis) duch den Grammatiker Remmius Palaemon zurückgeführt; das soll Verursachungsfall heißen und als Anklagefall mißdeutet worden sein (aitia heißt sowohl Ursache wie Anklage übrigens sind auch Sache, Ursache forensische Begriffe). So auch Duden Universalwörterbuch:
Ak|ku|sa|tiv, der; -s, -e [lat. (casus) accusativus = die Anklage betreffend(er Fall), zu: accusare = anklagen; falsche lat. Übersetzung von griech. (ptosis) aitiatike = Ursache u. Wirkung betreffend(er Fall)]"
Jedoch hat Ernst Kapp gezeigt, daß auch Anklagekasus auf eine typische Verwendung zurückgeht: der Beschuldigte steht im Akkusativ. Übrigens bezeichnet der Akkusativ ja auch gar nicht die Ursache, sondern die Wirkung! Die alten römischen Grammatiker konnten auch ganz gut Griechisch ...
Der Dativ ist durchsichtig genug als Gebefall benannt (dotike), aber auch hier gibt es bei Dionysius Thrax eine speziellere Bezeichnung: epistaltike, d. h. Brief- oder Adressenkasus wiederum nach der typischen Verwendung am Anfang eines Briefs: dem Epikur einen schönen Gruß" usw.
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Th. Ickler
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