Vielleicht gehört das hierher?
In dem bekannten (und aus vielerlei Gründen auch bemerkenswerten) Film »Der Flug des Phoenix« fragt Hardy Krüger an einer entscheidenden Stelle: »Wer hat hier die Autorität?« Klar ist: Er hat die Autorität, und zwar aufgrund seiner fachlichen Kompetenz als Flugzeug-Konstrukteur (wenn auch von Modellflugzeugen).
Wie gewinnt man eine vergleichbare Autorität in Sachen Sprache?
Kann man das in ähnlicher Weise erlernen, in einer Art »Sprach-Konstruktionslehre«? Und dann hat man »die Autorität«?
Aus den Diskussionen um die Rechtschreibreform kann man einiges zu dieser Frage lernen.
Professor Augst hätte diese Autoriät gern gehabt, aber er hatte sie nie. So hat er sich mit Geschick die Regelungsgewalt des Staates zunutze gemacht: unter diesem Schild konnte er sogar prägend* auf die Sprache einwirken. (Hätte er ein mehr als nur rudimentär entwickeltes Gespür für solche Dinge, müßte ihm das in höchsten Maße peinlich und beschämend sein; es scheint ihn aber eher mit einem Triumphgefühl zu erfüllen).
Professor Ickler hat diese Autorität, aber warum? Hat er in seiner eigenen Ausbildung im Fach Sprachkonstruktionslehre einfach besser aufgepaßt als Augst? Das ist es sicher nicht. Diese Autorität erwirbt man nicht durch eifriges Studium. Man kann sie auch nicht kaufen. Sie wird einem verliehen. Und zwar von der Sprache selbst. Das mag vielen verschroben klingen, aber ich bin sicher, es ist nahe an der Wahrheit. Versucht man einmal, diesen Gedanken nicht gleich zu verwerfen, sondern ihm ein bißchen zu folgen – wie sollte »die Sprache« dies tun: Autorität verleihen? Und wieso?
Was wäre denn dafür die Voraussetzung? Die Sprache ist da sehr eigensinnig und verleiht diese Autorität nur dem, der sich ihr zuvor unterwirft**. Intelligenz, die Fähigkeit zum folgerichtigen Denken, Kenntnisreichtum, Neugierde und eine bestimmte*** Empfindsamkeit sind hilfreiche Dreingaben, aber entscheidend ist die a priori dienende Haltung. Dafür erhält man die Autorität als Kredit; wenn die anderen genannten Faktoren und eine gewisse*** Dauerhaftigkeit dazukommen, wird der Kreditrahmen erweitert. Wenn man sich weiter an die Grundregeln hält, wird diese Autorität mehr und mehr kennzeichnend für eine Person (und wird von manchen dann als »päpstlich« kritisiert****).
Während der Flugzeugkonstrukteur Hardy Krüger »die« Autorität hat, weil er die Natur ein Stück weit zu beherrschen gelernt hat, ist der Germanist Theodor Ickler Autorität in sprachlichen Dingen, weil er sich gerade nicht zum Herrn über die Sprache aufgeschwungen hat.
* Sprachprägend sind alle, die an der Entwicklung der Sprache teilhaben, in besonderer Weise aber die Dichter und Schriftsteller, die den Sprachraum durch ihre Kunst zu erweitern vermögen. Ein Germanist, der implizit sprachprägend wirken möchte, hat dagegen recht eigentlich seinen Beruf verfehlt.
** Ganz analog hat schon Sir Francis Bacon, der die experimentelle Methode in die Wissenschaft eingeführt hat – was ihm bis heute andauernde, z.T. prominente Kritik eingebracht hat – geschrieben: »Nature to be commanded must be obeyed« [Eine Beherrschung der Natur setzt voraus, daß man ihr gehorcht]. Da Sprache ein natürlicher Prozeß ist, ist diese Analogie nicht notwendig überraschend.
*** Das Deutsche widersetzt sich dem Gebrauch solcher Vokabeln nicht, bei denen unüberhörbar das Gegenteil von dem mitschwingt, was sie eigentlich bedeuten.
**** was weder dem Papst noch Ickler gerecht wird
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Dr. Wolfgang Scheuermann
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