Christian Meier deformiert
Der Althistoriker und frühere Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, ist als vehementer Gegner der „Rechtschreibreform“ bekannt. Einmal soll er lieber auf den Abdruck seines Artikels im „Spiegel“ verzichtet haben, als daß er ihn der Deformierung aussetzen lassen wollte.
Nun wurde gerade eine Rezension seines jüngsten Buches „Das Gebot zu vergessen …“ auf der Seite der freidenkenden neuen „Humanisten“ veröffentlicht, die sich nicht selten übertrieben eifrig der obrigkeitlichen Schreib-Zwangsmissionierung unterwerfen. Daß davon auch Christian Meier nicht verschont wird, war allerdings nicht zu erwarten:
Rezension 25 Jun 2010 09:03 Nr. 9799
Die Unabweisbarkeit des Erinnerns
(hpd) Der Althistoriker Christian Meier erörtert die Frage, ob der „öffentliche Umgang mit schlimmer Vergangenheit“ eher von Erinnerung oder Vergessen geprägt sein soll. Aus der historischen Betrachtung plädiert er für Letzteres, macht bezüglich der NS-Vergangenheit aber eine Ausnahme, die aber nur ab den 1960er Jahren gelten soll. …
In seinem Essay „Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns“ heißt es mit Blick auf die Geschichte: „Immer wieder wird beschlossen, vereinbart, eingeschärft, dass Vergessen sein soll, Vergessen von vielerlei Unrecht, Grausamkeit, Schlimmem aller Art“ (S. 10).
Diese Einschätzung belegt der Autor nach Betrachtungen zu fast zweieinhalb Jahrtausende europäischer Geschichte: Sie setzen ein in der griechischen und römischen Antike, wo man mehrmals aus Angst vor einem blutigen Bürgerkrieg und um der Gewährung des inneren Friedens willen eine Amnestie für politische Morde erließ. Denn, so Meier, „die Erinnerung an Schlimmes erzeugt gern den Drang zur Rache; was zugleich heißen kann: zu Gerechtigkeit, einer Gerechtigkeit freilich, die allzu leicht auf parteiliche Weise gesucht wird, so dass das Bedürfnis nach Widerrache entsteht“ (S. 13).
Ähnliche Motive werden für Verdrängen und Vergessen auch für spätere historische Ereignisse im Mittelalter und der Neuzeit ausgemacht. Ihnen widmet der Althistoriker indessen nur geringe Aufmerksamkeit. Als Lehre aus dieser geschichtlichen Betrachtung formuliert Meier: „Indem man die Fähigkeit hat, einen Schlusspunkt zu setzen, verzichtet man bewusst um des Friedens willen auf die Ahndung von vielerlei Unrecht“ (S. 45).
... Meier schließt seine Betrachtung mit den Worten: „Die uralte Erfahrung, wonach man nach solchen Ereignissen besser vergisst und verdrängt als tätige Erinnerung walten zu lassen, ist noch keineswegs überholt. Und es ist keineswegs ausgemacht, dass tätige Erinnerung Wiederholung ausschließt“ (S. 97). …
Armin Pfahl-Traughber
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