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Karin Pfeiffer-Stolz
Es muß einfach gehen ... soviel zum menschlichen Verstand
Unter den Gesteinsmassen eines Berges wird eine Goldader vermutet. Man beginnt zu graben, aber erfolglos. Nun werden Probebohrungen vorgenommen: keine Spur des gelben Metalls. Zur Verwunderung aller werden die Arbeiten unter Tage nicht eingestellt, sondern mit doppelter Kraft vorangetrieben.
Der Beobachter ist irritiert. Er fragt beim Unternehmen nach: „Warum wird weitergearbeitet, obwohl die Probebohrungen negativ waren?“ Der verantwortliche Unternehmer sagt: „Erstens haben wir schon zu viel investiert, da können wir doch jetzt nicht einfach mit den Arbeiten aufhören. Zweitens brauchen wir das Gold unbedingt, wir können nicht drauf verzichten.“
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Da gab es doch eine Rechtschreibreform, bei der sich gleich zu Beginn deren Inkonsistenz und Unbrauchbarkeit herausgestellt hat. Darauf angesprochen, hörte man von Betreibern, Mitläufern und Nutznießern des Vorhabens unisono diesen Satz: „Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht werden, dafür steckt schon zu viel Investition drin.“
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[ ... und drei weitere Beispiele]
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In schlechten Zeiten freut man sich über jeden Unsinn, der einen zum Lachen bringt. Deshalb hier eine weitere Glosse:
Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Staatshaushalte aller europäischen Länder zerrüttet, insbesondere die Lage Frankreichs und Italiens war hoffnungslos. „Diese Länder gingen dem Staatsbankrott entgegen. Die Tatsache ließ sich nur verheimlichen, wenn man die Hoffnungen auf ungeheure Einnahmen vom Feinde nährte.“ Der Feind war Deutschland, und dessen Leistungsfähigkeit wurde derart überschätzt, daß dem durch den Krieg ausgezehrten und zerstückelten Land ungeheure Reparationslasten aufgebürdet wurden. Nun saß man in Versailles beisammen und beratschlagte. „Die Finanzlage Frankreichs und Italiens war so schlecht, daß es unmöglich war, sie in der Frage der deutschen Kriegsentschädigung zur Vernunft zu bringen …" Man kann aus einem Land nicht mehr herausholen, als es selbst in der Lage ist zu produzieren. Diese simple Tatsache wurde einfach verdrängt. „In der Unterhaltung mit Franzosen, die Privatpersonen und durch politische Erwägungen gänzlich unbeeinflußt waren, trat diese Seite der Sache klar hervor. Man konnte sie davon überzeugen, daß die geläufigen Schätzungen über den aus Deutschland herauszuschlagenden Betrag völlig phantastisch seien, und doch pflegten sie am Ende immer zu ihrem Anfangspunkt zurückzukehren: Aber Deutschland muß zahlen, denn was sonst soll aus Frankreich werden?“
Oh, Verzeihung. Der letzte Beitrag ist natürlich keine Glosse. Es sind Zitate aus dem folgenden Buch:
John Maynard Keynes. Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles. (Seiten 95f, Fußnote 10, S. 151f)
Etwaige Ähnlichkeiten mit der aktuelle politische Lage in Europa sind womöglich rein zufällig, gedankliche Schlüsse möge der geneigte Leser selbst ziehen. Der Mensch ist ein irrationales Wesen, wer möchte nicht an diesem Umstand (ver)zweifeln?
freiewelt.net 12.7.2012
Zu den Beispielen von Frau Pfeiffer-Stolz möchte ich eins hinzufügen: Als kleiner Junge ging ich des öfteren mit einer alten Nachbarin zum Pilzesammeln. Eines Tages blätterte ich danach in meinem Pilzbuch und meinte, unter dem Sammelgut tödliche Knollenblätterpilze erkannt zu haben. Ich lief eilends zu ihr und bat sie inständig, die Pilze wegzuwerfen. Sie aber sagte: „Nej, die hab ich mir jetzt so schön mit Butter angemacht, die kann ich nicht wegschmeißen.“ – Gestorben ist sie wohl nicht; ich weiß aber auch nicht, ob sie die Pilze danach tatsächlich gegessen hat.
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