Wiederherstellungen
Rekonstruktion historischer Bauten
Trümmer, Tote, Trauma: Vor 65 Jahren lag Deutschland in Schutt und Asche. In vielen Städten kämpfen Bürger für den Wiederaufbau im Krieg zerstörter Häuser. Im nordrhein-westfälischen Wesel haben sie mit einem spektakulären Projekt Erfolg.
Die Stadt ist nahezu vollständig zerstört, Experten streiten darüber ob es 95 oder 98 Prozent der Gebäude waren. In Trümmern lag auch der historische Altstadtkern mitsamt seinem berühmten, 555 Jahre alten gotischen Rathaus am Marktplatz. …
Es gibt das Wesel vor den Februartagen des Jahres 1945 und es gibt das Wesel, in dem wir Heutigen leben, sagt Bewohner Peter Braess von einer Bürgerinitiative, die sich für die Rekonstruktion des historischen Rathauses einsetzt. Der Faden, der die Gegenwart und Zukunft mit der Vergangenheit verbindet, wird dünner und dünner. Nun solle eine Brücke geschlagen werde, so Braess: Man verknüpft die Zukunft der Stadt mit ihrer Vergangenheit.
Mehr als 20 Jahre hatte die Bürgerinitiative Historisches Rathaus vergeblich für einen Wiederaufbau der Rathausfassade geworben. Erst die Rekonstruktion der ebenfalls im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dresdner Frauenkirche 2005 beförderte das Vorhaben nachhaltig.
… Man kann doch nicht einfach als kaputt deklarieren, was Jahrhunderte unsere Kultur ausgemacht hat, sagt Dagmar Ewert-Kruse, Sprecherin der Bürgerinitiative in Wesel. …
Es gab und gibt allerdings auch Einwände gegen den Fassadenbau: Der sei doch nur eine kitschige Attrappe, ein Phantom, werfen Kritiker ein, man solle das Geld lieber sinnvoller verwenden. Wir bauen keine Mickey-Mouse-Fassade, wir orientieren uns streng am Original, sagt Dagmar Ewert-Kruse. Standort, Material und Gestaltung entsprächen der historischen Vorgabe.
spiegel.de 17.5.2010
Nach dem Kriege saß die Modernisten-Mafia überall an den entscheidenden Stellen, nachdem sie vorher auf die Diktaturen gesetzt hatte. „Die modernen Architekten und Stadtplaner des 20. Jahrhunderts liebten die Idee einer Tabula rasa, des Ausradierens gewachsener Strukturen, um radikal neu beginnen zu können.“ weltwoche.ch 30.9.2009. Die Zerstörung der Städte kam da wie eine Fügung Gottes, und es wurde fortgesetzt unwiederbringlich weit mehr zerstört, als für den Wiederaufbau nötig war. Als dann gar auf der Gegenseite der wiedererrichtete Frankfurter Römer 1974 auch seine alte Fassade zurückerhielt, giftete der bekannte Redakteur und Architekturkritiker der ZEIT, Manfred Sack, es fänden sich leider „immer noch Architekten, die sich für derlei hergeben“.
Als letzten gelang den Betreibern der „Rechtschreibreform“ die Zerstörung gewachsenen Kulturgutes – wenn auch nicht in dem erhofften Maße. Gerade hier ist aber die Wiederherstellung der Kulturtradition am mühelosesten zu bewerkstelligen. Dazu bedürfte es nur einer einsichtigen Mehrheit unter den deutschen Kultusministern, nachdem die alte verbohrte Ideologengeneration abgetreten ist.
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