Uwe Tellkamp
Das Atelier
Erschienen in der Edition Buchhaus Loschwitz
112 Seiten, 17 Euro
ISBN: 978-3-9820131-8-3
Aus dem Klappentext:
Bilder mit Worten malen – man könnte meinen, dies geschehe, liest man Tellkamps Texte. »Das Atelier« gewährt faszinierende Einblicke in die Bilder und Welt der sächsischen Kunstszene, insbesondere in Dresden. Dies geschieht hier freilich nicht in der Form eines Reports oder schieren Abbilds, sondern als Dichtung und Wahrheit: auf irisierende Weise stets auch das Ganze bedenkend. Im trunken wuchernden Gespräch entsteht eine ganze Welt vor unseren Augen, in der sächsischer Wein eine wichtige Rolle spielt, eine Luftpistole in einer pittoresken Nebenrolle zu sehen ist, eine Welt voller lebendiger Leute, in der Bücher ebenso großer Bedeutung sind wie die Bilder und Skulpturen. Freilich führt uns Tellkamp erlebnisreicher Essay am Ende auch die Bedrohung der Kunst vor Augen, wenn sie unter Künstler in die Mühlen der Politik und der Ideologen geraten... Textprobe:
Der Maschinist Rahe dient in einer ehrwürdigen, was das Vergewissern betrifft, früchtetragenden, jedoch inzwischen verdrängten und verrufenen Apparatur. Farbmüller, könnte er heißen. Lichtmüller. Tür- und Fensterweber. Die Farben sind rauch, das alte Wort für rauh, das sich in Rauchwaren erhalten hat. Rahes Farben könnten die Dinge bezeichnen, wie es sonst Umrisse tun, die Farbe gebiert die Dinge, nicht umgekehrt. Ding wird Findling in den Prozessen der Farbe. Sie verläßt ihren Stellvertreterdienst, ihre Fremdbestimmung, kommt zu sich selbst; wenn Farbe Sprache ist, spricht Rahe hier als Lyriker; dem Prosaschreiber wird Sprache zur Magd darstellerische Absichten, er muß sie in den Zweck mißbrauchen, um sie zu gebrauchen: der Maler schneidet den Klotz der bloßen Nützlichkeit ab, und siehe da, die Farbe hat eigene Abenteuer. Auch der MDR zitiert (ss-verfälscht) aus dem Buch und wittert pflichtgemäß rechtes Gedankengut: Ohne Soldatentum gäbe es im übrigen auch keine der von ihr als so wichtig erachteten künstlerischen Leistungen, oder glaube sie, dass Werke wie die Recherche,* die Sixtinische Kapelle, die Bachsche und Mozartsche Musik ohne ein gewisses Soldatentum, vulgo: Disziplin, hätten geschaffen werden können? Der Kritiker versucht auch, die auftretenden Personen zu entschlüsseln: Gespräche mit Neo Rauch
Uwe Tellkamp betreibt Bildbetrachtung. Das war einmal Schulstoff. Doch so verschwurbelt wie hier in seinem gut 100 Seiten schmalen Buch Das Atelier gab's die wohl noch nie. Als Ich-Erzähler namens Fabian besucht er Künstler wie Martin Rahe und Nina Schmücke, philosophiert mit Thomas Vogelstrom – allesamt unschwer erkennbar als Neo Rauch, dessen Frau Rosa Loy sowie Johannes Heisig – und lässt die Dresdner Romantik aufleben. Die Namen verstorbener Maler werden im Klartext genannt: Otto Dix etwa, Osmar Schindler, auch Hermann Glöckner und sowieso Caspar David Friedrich und Johann Christian Clausen Dahl. Zudem trifft Tellkamp den einen weißen Maserati fahrenden Carl Bunke, einen Hansdampf in allen Kunstgassen, womit der Galerist Gerd Harry Lübke [richtig: Lybke], genannt Judy, gemeint sein dürfte. Der schießt per Luftdruckpistole gemeinsam mit seinem teuren Lieblingsmaler auf Zielscheiben mit den Gesichtern von dessen Lieblingsfeinden...
mdr.de 19.5.2020 Vera Lengsfeld schätzt die Wirkung des Büchleins am 28.06.2020 ein: Sonntagslektüre: Uwe Tellkamps „Das Atelier“
Kaum ein Büchlein hat eine solche Eruption an Kritikerstimmen ausgelöst wie der schmale Band des Dresdener Schriftstellers Uwe Tellkamp. So gesehen, war es ein überaus erfolgreicher Start der Edition „Exil“ aus Susanne Dagens Buchhaus Loschwitz, laut „Freitag“ die „gute Stube des rechtsintellektuellen Pegida-Umfelds“. Die intellektuelle Strahlkraft dieses Umfelds macht die Linke offensichtlich hochnervös. Es ist amüsant zu lesen, wie die Herren Kritiker sich mit ihren schrillen Stimmen bei der Dekonstruktion des Textes gegenseitig zu übertreffen suchen. Von der „Zeit“ bis zum „Freitag“ sind alle einschlägig Verdächtigen am Start, um sich über die „antimoderne, neurechte und raunende Männerclique“ zu echauffieren. Selbst Sonntags-Krimi-Spezialisten, die lieber bei ihren Leisten geblieben wären, fühlen sich berufen, sich zum Literatur-und Kunstkritiker aufzuschwingen. Der Brei, um den alle herumreden, ist so heiß, dass sogar die notorische Amadeu Antonio Stiftung mit ihrem „Belltower“ mitmischt, die bisher weniger als Kunstkritiker denn als Gesinnungswächter aufgefallen ist. Tellkamp muss sie tief und präzise getroffen haben, wenn der Aufschrei so groß ist... Gleicher Text auch auf der „Achse des Guten“.
* im Original: „die Recherche,“ als Druckfehler zu streichen?
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