Mehr Sprachwissenschaft
Gegen die Dummheit der Schreib- und Gender„reformen“ kämpfen selbst Götter vergebens. Deshalb werde ich meine verbliebene Arbeitskraft vermehrt auf Themen verlegen, die mir weit interessanter erscheinen. Dazu gehören schon immer die Fragen zu den Grundlagen der Materie und der menschlichen Kultur. Vor vierzig Jahren stieß ich auf die mögliche Verwandtschaft des Sumerischen mit den sinotibetischen Sprachen. Einige Notizen dazu hatte ich schon gelegentlich angebracht. Hier noch einige Ergänzungen:
Das Sumerische gehört wie das urtümliche Tibetisch zu den Ergativ-Sprachen, das heißt, das handelnde Subjekt steht im Ergativ (sum. Endung -e), der Akkusativ bleibt unbezeichnet. Die übrigen nachgestellten Kasuspartikel zeigen in beiden Sprachen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit: Genitiv sum. -e, -k, -ak (tib. -i, -gi, -kyi), Lokativ -a, -ni- (tib. -na), Dativ -ra, -na- (tib. -la, -nas) usw.
Wie schon Karl Bouda 1938 feststellte, läßt sich an zweilautigen Wörtern kaum eine Entsprechung beweisen. Ich habe mich daher auf die Wörter des Typs CVC (Konsonant-Vokal-Konsonant) beschränkt. Sie können aus 15 möglichen Anlauten, 11 Auslauten und den Vokalen a, e, i und u gebildet werden. Von den 660 möglichen Verbindungen wurden aber nur etwa 165 ausgenutzt, viele allerdings mit mehrfachen Bedeutungen belegt. Für die fettgedruckten Silben habe ich bisher mindestens eine ähnliche, phonetisch auch ableitbare Bedeutung im Tibetischen gefunden: bad, bal, ban, bar, bil, bir, biz, bul, bur, dab, dag, dah, dal, dam, dar, dib, dig, dim, dub, dug, duh, dul, dur, gag, gaĝ, gal, ĝal, gam, gaz, ĝen, gib, gid, gig, giĝ, gin, ĝir, gub, gud, gug, gul, gun, gur, hab, hal, har, haz, hub, hul, hum, hur, huš, kag, kal, kam, kan, kar, keš, kib, kid, kin, kir, kiš, kud, kug, kul, kum, kun, kur, kuš, lag, lah, lal, lam, lil, lug, luh, lul, mah, man, mar, maš, maz, min, mir, mud, mug, mul, mun, mur, muš, nab, naĝ, nam, nar, nen, nig, niĝ, nim, nin, nir, nud, nug, pab, pad, pag, pah, peš, pil, rag, rah, rig, rin, rum, šab, sag, saĝ, šag, sah, sal, sar, šar, sed, šed, šeĝ, šeš, šid, sig, sil, sub, šub, sud, sug, suh, sum, šum, sun, sur, šur, šuš, tab, tag, tal, tam, tar, teĝ, ten, teš, til, tug, tul, tum, tun, tuš, zag, zah, zal, zid, zig, zil, zir, ziz, zuh, zur. Als Beispiel mag das schon erwähnte Wort „sug“ genügen. Ob es noch feinere Unterschiede in der Lautung gab, läßt sich aus den keilschriftlichen Wortbildern und Symbolen nicht ableiten. Die Tibeter unterscheiden beispielsweise im Muster „bal“ bei gleichem l-Auslaut fünf Vokale a, e, i, o, u und die Anlaut-Konsonanten p, p‘, b, deren Erweiterung py, p’y, by; pr, p’r, br sowie etliche Konsonanten-Präskripte, die wohl von irgendwelchen Vorsilben herrühren. Das einsatzlose tibetische འ (à-), auch zur Bezeichnung des Präsens verwendet, könnte vom sumerischen i- abstammen: ĝae i-kur-en „ich trat ein“. Insgesamt findet man im tibetischen Lexikon etwa 32 Wörter der Variation BAL, aber nur wenige kommen der sumerischen Bedeutung näher. Das ist durchaus beachtlich, wenn man den letzten Sprecher der gemeinsamen Proto-Sprache in die Zeit vor zehntausend Jahren verlegt.
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Sigmar Salzburg
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