Das „Wir“ hilft dem Steinbrück aufs Fahrad
Steinbrück zum verpatzten SPD-Slogan:
Hätte, hätte Fahrradkette
… Er ist der Mann der deutlichen Worte: Peer Steinbrück gibt sich bei Kritik gern patzig. So auch am Freitag im Interview des ARD-Morgenmagazins. Thema: der SPD-Wahlslogan Das Wir entscheidet, den der Sozialdemokrat am Dienstag vorgestellt hatte und seitdem für Kritik und Spott sorgt. Denn das Motto wird seit Jahren von einer Leiharbeitsfirma aus Baden-Württemberg verwendet.
Moderator Sven Lorig hält eine tageszeitung in die Kamera, die am Donnerstag Zu blöd zum Googeln zum verpatzten SPD-Motto getitelt hatte. Dann wendet er sich Steinbrück zu: Ich nehme an, Sie mussten innerlich auch grinsen, als Sie die taz gerade gesehen haben trotz allem Ärger. …
Lorig hakt nach: Naja, aber inhaltlich stimmt es doch, eine einfache Recherche hätte das doch feststellen können ...
Steinbrück (verzieht das Gesicht): Ja, Herr Lorig, hätte, hätte, hätte Fahrradkette natürlich hätte das technische Wahlkampf-Management der SPD dies machen sollen. Nun ist auch gut.
spiegel.de 12.4.2013
Dazu fällt mir die Schnapswerbung von 1967 ein, laut Spiegel, damals sonst noch in anständiger deutscher Rechtschreibung:
WERBUNG / AGENTUREN
In weißer Leere steht die Schnapsflasche. Dem altertümlichen Biedermann auf ihrem Etikett entquillt eine Sprechblase. Text. "Hilft dem Vater auf das Fahrad". Weiter nichts, auch kein r. So wirbt Westdeutschlands neueste Star-Agentur für Hulstkamp Korn.
Willig läßt sich Hulstkamp-Hersteller Eckes in Nieder-Olm den Jux mehrere Werbemillionen kosten, willig auch schluckte er die Begründung für den Rechtschreibfehler: Er soll, so die Werbeagentur Arcor in Frankfurt, zur Diskussion und zum Schreiben von Beschwerdebriefen anregen. Den Frankfurtern nimmt die Kundschaft fast alles ab, denn sie gelten derzeit als heißer Tip.
spiegel.de 08.05.1967
31 Jahre später regte die „Rechtschreibreform” nicht nur das Schreiben von Beschwerdebriefen, die Bildung von Bürgerinitiativen und 885511 Schleswig-Holsteiner (repräsentative 56 Prozent) zur völligen Ablehnung dieser Bürgererpressung an, sondern entlarvte den herrschenden ideologieverblödeten Parteienklüngel als eine Ansammlung von arroganten Scheindemokraten, die selbstherrlich den Volksentscheid annullierten: „Das Wir entscheidet“. Und Steinbrück machte mit, nicht nur zu blöd zum Googeln, sondern auch zu blöd, um die Nichtsnutzigkeit und Kulturfeindlichkeit der „Reform“ zu erkennen.
Wer im Osten Deutschlands aufgewachsen ist, wird sich an die Parole Vom Ich zum Wir erinnern. Damit wurde Ende der 1950er-Jahre die Kampagne der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gegen das Privateigentum geführt. (Alan Posener in der „Welt“)
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