Hinübergleiten
Das möchte ich unterstreichen. Man kann davon ausgehen, daß die Feinheiten der Schrift den meisten „Normallesern“ ohnehin verborgen bleiben. Wie die Diskussionen deutlich gezeigt haben, ging es nicht wirklich um Schrift, sondern um Klassenkampf, wobei das Sachliche natürlich dem Ideologischen weichen mußte.
So wie die Reformer ihren Jugendtraum nur deshalb verwirklichen konnten, weil sie die Debatte um die RSR erfolgreich depolitisiert hatten, müssen wir die Diskussion jetzt auch von der politischen Ebene wieder herunterholen. Wir erreichen mit unserem Verteiler Eltern und Lehrer. Sofern dort der Leidensdruck wächst, haben wir gute Chancen, langfristig sachliche Aufklärung zu plazieren und damit auch gehört zu werden.
Aufklärung über die Schrift, insbesondere die Funktion von Orthographie und Grammatik, ist jetzt unser Anliegen. Im Rausch des Machbarkeitswahns, der den Menschen im vergangenen Jahrhundert befallen hat, ist offensichtlich das Gefühl dafür abhanden gekommen, daß uns die Welt natürliche Grenzen setzt: die Struktur der Sprache ist etwas Unantastbares. Mutwillige Eingriffe führen zu unvorhersehbaren Verwerfungen, vergleichbar mit der Statik von Gebäuden, deren falsche Berechnung zum Einsturz des Bauwerks führen können.
In zahlreichen Gesprächen mit Eltern und auch Lehrern (!) habe ich feststellen dürfen, daß Nachdenklichkeit einsetzt, wenn man sich dem Problem von einer unideologischen Seite her nähert, ohne anzuklagen, ohne Aufregung.
Aufklärung, vor allem für den „Normalverbraucher“ von Sprache, tut jetzt not.
Nur Geduld, es wird sich alles einrenken. Arbeiten wir weiter, unaufgeregt und unverdrossen.
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Karin Pfeiffer-Stolz
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