Fälschungen heute und vor 3800 Jahren
Immer wieder stößt man auf unnötig unterwürfigen Anpassungseifer an den Reformunfug der Kultusminister. Zum Stichwort Lyrik oder besser Poeterey brachte heute bei Sprachforschung.org Theodor Ickler einen Kommentar:
»Unter dem Stichwort Carpe diem findet man bei Wiki auch das bekannte Gedicht von Martin Opitz. Es ist auf Reformschreibung umgestellt, aber der Text ist in anderer Hinsicht so fehlerhaft wiedergegeben, daß sich gar keine ordentlichen Verse mehr ergeben – beim Altmeister der deutschen Poeterey eine Schande!«
Ich selbst habe gerade ähnliches feststellen müssen, weniger poetisch, aber doch literarisch: Um meinem eingerosteten Vokabelwissen etwas nachzuhelfen, rief ich die deutsche Übersetzung des Codex Hammurabi auf und fand:
Bei der Bearbeitung des vorliegenden sehr alten Textes wurden zur leichteren Lesbarkeit schwer verständliche Ausdrücke und Schreibweisen [!] in verständliches Deutsch übertragen, die wichtigsten Regeln der neuen Rechtschreibung wurden übernommen, die Satzzeichen wurden in der Regel belassen, um das Verständnis des Textzusammenhanges zu unterstützen. Der Text wurde jedoch inhaltlich nicht verändert oder gekürzt. Quelle: Dieser Textfassung liegt die Übersetzung von Hugo Grassmann, Altorientalische Texte zum alten Testament, Berlin 1926 [!], S. 380ff zu Grunde.
Wenn doch heute auch noch gelten würde, was der Herrscher -1750 im Epilog seiner Gesetzesstele verkündet hat:
Šumma awilum šu ana awatia ša ina naria ašturu …
»Gesetzt, dieser Mann hat meine Worte, die ich auf meine Tafel geschrieben habe, nicht geachtet,… das Recht, das ich gerichtet, getilgt, meine Worte verdreht, meine Darstellungen verändert … – der große Anu, der Vater der Götter, … möge ihm seinen königlichen Glanz wegnehmen, sein Zepter zerbrechen, sein Geschick verfluchen.«
Das galt für Regenten. Sonst heißt es bei drei Dutzend Vergehen:
awilum šu idak „dieser Mann wird getötet“
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