Hans Krieger
(gefunden in Ossietzky 25/2012)
Mensch und Tier
Im Ton des von Enkeln umringten Großvaters reimt Hans Krieger auf jedes Tier, das ihm begegnet, ein Gedicht, mal belehrend, mal auch moralisierend, meist vergnüglich, gelegentlich gern ein bißchen albern, aber immer sowohl tier- als auch menschenfreundlich, allerdings oft erschrocken über Menschen, die sich so wenig menschlich verhalten, daß es die Tiere graust. Das liest sich zum Beispiel so: »Ein Wolf, ganz gegen die Natur, / studierte mal Literatur. / Er las in Märchen, Fabeln, Sagen, / wie grausam Wölfe Menschen plagen. / Er las in Philosophentexten, / daß meist der Mensch an seinem Nächsten / so mörderisch und wölfisch handle, / als ob er sich zum Wolf verwandle. / Der Wolf springt auf und ruft entsetzt: / »Wie schlimm wird gegen uns gehetzt! / So böse sind wir Wölfe nicht, / es ist der Mensch der Bösewicht! ...« Die Ansprache des Wolfes endet mit dem Zeilenpaar: »... und wenn man Menschen Wölfe nennt, / ist’s für den Mensch ein Kompliment.«
Unter der Überschrift »Meise« bekennt der Autor: »Hab‘ ich immer noch kein Handy, / halt‘ mich still auf meine Weise, / ist es klar: Ich bin nicht trendy, / also hab‘ ich eine Meise. // Wenn ich mich des Fleischs enthalte, / lieber vegetarisch speise, / hör‘ ich sagen: »Schau, der Alte, / gell, der spinnt, der hat ‘ne Meise.« // Wenn ich noch auf Sozialismus / hoffe und den Markt nicht preise, / fehlt es mir an Realismus, / und es heißt: Der hat ‘ne Meise.« Kurz: Der Autor erweist sich als Menschenkenner und Vernunftmensch.
E. S.
Hans Krieger: »Das Asphalt-Zebra – Animalphabetische Verse«, Zeichnungen von Christine Rieck-Sonntag, Oreos-Verlag, 135 Seiten, 16,80 €
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