Schweizer Regierung zur ZGS
Nun hat sich auch die schweizerische Regierung (Bundesrat) zur Rechtschreibreform geäußert. In der Antwort Ende November auf ein Postulat hält sie fest, daß eine Änderung des Regelwerks notwendig sei, durch welche die mit der Reform beseitigten Bedeutungsdifferenzierungen durch Zusammen- und Getrenntschreibung wieder eingeführt werden. Wie genau sie sich dafür einsetzen wird, ist nicht bekannt. Es ist anzunehmen, daß ihr Vertreter im Rat, Werner Hauck (der die Antwort des Bundesrates redigiert haben dürfte), damit beauftragt ist.
Postulat und Antwort zeigen übrigens, daß die oft von den Reformern geäußerte Behauptung, in der Schweiz ist alles ruhig, nicht stimmt.
Zusammen mit den Äußerungen von Herrn Zehetmair (auseinander setzen/auseinandersetzen) zeichnet sich doch eigentlich ab, daß der ganze mißratene Bereich Zusammen-/Getrenntschreibung gestrichen wird. Dieser Einbruch eines zentralen Teils müßte die ganze Reform zum Einsturz bringen.
Die Parlamentarierin (eine hochgebildete, gescheite Frau) werde ich noch fragen, wo sie das Mehr an Systematik und die Unzulänglichkeiten der alten Rechtschreibung sieht.
Postulat und Antwort im Wortlaut:
(EDK = kantonale Erziehungsdirektorenkonferenz)
04.3462 Postulat
Deutsche Rechtschreibereform. Konsensfindung
Eingereicht von Riklin Kathy
Einreichungsdatum 27.09.2004
Eingereicht im Nationalrat
Stand der Beratung Im Plenum noch nicht behandelt
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, im Einvernehmen mit der EDK zu prüfen, ob den Regierungen der an der Reform der deutschen Rechtschreibung beteiligten Länder mitzuteilen sei, dass die Schweiz ein hohes Interesse an einem breiten Konsens in der Frage der Rechtschreibereform hat. Erreicht werden soll dieser Konsens namentlich durch eine Änderung des neuen Regelwerkes, wodurch die bisher möglichen Bedeutungsdifferenzierungen durch Zusammen- und Getrenntschreibung erhalten bleiben.
Begründung
Die sehr emotional geführte Diskussion um die Reform der deutschen Rechtschreibung kommt nicht zur Ruhe. Im Gegenteil: Durch die Bestrebungen der Ministerpräsidenten einiger deutscher Bundesländer, den Kultusministern die Zuständigkeit in der Sache zu entziehen, und namentlich durch die Ankündigung des Axel-Springer-Verlages, des Spiegel-Verlages und der Süddeutschen Zeitung, wieder zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen, hat sie an Brisanz erheblich zugenommen. Es droht eine Entwicklung, die dazu führt, dass das, was man in der Schule lehrt und lernt, nicht dem entspricht, was man ausserhalb der Schule schreibt und liest. Praxis und Schule dürfen sich nicht entzweien. Es ist Aufgabe der Politik, eine solche Entwicklung zu verhindern.
Das neue Regelwerk hat mehr Systematik in die Rechtschreibung gebracht und unnötige Einzelfallregelungen beseitigt. Es wäre deshalb unsinnig, zur alten Rechtschreibung mit all ihren Unzulänglichkeiten zurückzukehren. Das neue Regelwerk aber ist ganz offensichtlich nicht konsensfähig. Schuld daran ist in erster Linie die Tatsache, dass es bestimmte Bedeutungsdifferenzierungen durch Zusammen- und Getrenntschreibung (z. B. wohlvertraut wohl vertraut), die nun einmal zum Wesen der deutschen Sprache gehören, nicht mehr zulässt. Sämtliche Kritikerinnen und Kritiker sehen darin einen unzulässigen Eingriff in die Wortbildungsmechanismen und einen Mangel an Respekt gegenüber der Sprachgemeinschaft, die diese Mechanismen herausgebildet hat. Sie beklagen den Verlust einer grossen Zahl von Wörtern und wollen nicht durch eine Reform gezwungen werden, immer wieder gegen ihr Sprachgefühl schreiben zu müssen.
Die Suche nach einem Konsens muss deshalb bei diesem zentralen Punkt der Kritik ansetzen. Die wichtigsten Kritiker und die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung müssen sich endlich ernsthaft und im Bewusstsein ihrer Verantwortung zusammensetzen und das Regelwerk entsprechend ändern. Die Politik aber sollte ihnen den Weg zum Konsens durch eine klare Zielvorgabe erleichtern. Es ist politisch fragwürdig, wenn jedes der drei deutschsprachigen Länder die notwendige Revision der Reform mit der Begründung blockiert, es sei gegenüber den anderen zwei Ländern gebunden.
Stellungnahme des Bundesrates 24.11.2004
Der Bundesrat teilt das Anliegen der Postulantin. Rechtschreibung ist kein Selbstzweck, sie hat vielmehr dazu beizutragen, die Kommunikation zu erleichtern. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass es in einem Sprachraum im Wesentlichen nur eine Rechtschreibung gibt. Da es sich in den letzten Jahren aber gezeigt hat, dass das neue Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung nicht konsensfähig ist, droht eine Entwicklung, die zu einem Auseinanderdriften von Schule und Praxis führt. Der Bundesrat ist bereit, darauf hinzuwirken, dass es nicht zu einer solchen Entwicklung kommt. Er hält grundsätzlich an der Reform fest, zumal diese an den Schulen ohne grössere Probleme eingeführt worden ist. Er teilt aber auch die Ansicht der Postulantin, dass sie unbedingt konsensfähig gemacht werden muss. Notwendig ist namentlich eine Änderung des Regelwerkes, durch welche die mit der Reform beseitigten Bedeutungsdifferenzierungen durch Zusammen- und Getrenntschreibung wieder eingeführt werden. Der Bundesrat wird sich dafür einsetzen, dass diese Änderung abgeschlossen wird, bevor die Übergangsfrist am 31. Juli 2005 zu Ende geht.
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Peter Müller
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