Merkels Machtintrigen – Fundstück
Warum Horst Köhler zurücktrat
von Hans Peter Schütz [stern] 26.03.2013, 14:00 Uhr
Zum Buch von Sascha Adamek:
Die Machtmaschine
Sex, Lügen und Politik. Heyne 2013, 19,99 Euro
Alle rätselten jahrelang: Warum trat Horst Köhler im Mai 2010 vom Amt des Bundespräsidenten zurück? Eine Antwort versucht das neue Buch des ARD-Journalisten Adamek. Sie lautet: wegen Angela Merkel...
Sie spielte Anfang 2004 Wolfgang Schäuble vor, ihn ins Amt des Staatsoberhauptes hieven zu wollen. Schäuble war nicht wild darauf, sagte aber zu, weil er meinte, diese Ehre nicht ablehnen zu können, wenn sie ihm angetragen werde. Roland Koch und Friedrich Merz, die wichtigsten Männer damals in der CDU, stützten die Schäuble-Kandidatur. Die FDP war dagegen.
Gewünscht: ein pflegeleichter Präsident
Merkel operierte deswegen längst mit einem Plan B. Sie fragte einen Mann, an den außer ihr keiner dachte, Horst Köhler. Klammheimlich zog sie FDP-Chef Guido Westerwelle in einem langen Gespräch auf ihre Seite.
Köhler passte ihr ohnehin besser als ein Schäuble. Denn sie wollte, wie Adamek schreibt, ein Geschöpf im Amt, das insbesondere ein Geschöpf der CDU-Vorsitzenden sein sollte. Im März 2004 diskutierte das CDU-Präsidium, wer nun für die Partei kandidieren solle. Ernsthaft im Gespräch waren nur noch Schäuble, Annette Schavan und Köhler. Dass Merkel schon im Januar Köhler das Amt angetragen hatte, ohne dass sie es jemals erwähnt hätte, flog erst wenig später auf. An einen feuerroten Kopf Merkels erinnern sich Teilnehmer der entscheidenden Sitzung heute noch, als das bekannt wurde...
Das Kalkül, mit Köhler einen unauffälligen Mitstreiter im höchsten Amt zu haben, ging jedoch nicht auf. Köhler tat, so Sascha Adamek, was Merkel, inzwischen Kanzlerin, nicht erwartet hatte: Er prüfte Gesetze sehr gewissenhaft, blockierte sie und lehnte sogar einige gänzlich ab, weil sie seiner Ansicht nach gegen die Verfassung verstießen. Die Kanzlerin aber konnte keinen gebrauchen, der bei aller Instrumentalisierung durch die Merkel-Regierung auf seiner präsidialen Unabhängigkeit beharrte.
Der vermeintlich bequeme Köhler wurde unbequem...
stern.de 26.3.2013
... und mit einer beispiellosen Negativ-Kritik überzogen, ohne daß Merkel ihn verteidigte. Kurz vor ihrem Abtritt gelang ihr noch ein weiterer Coup: ihr Compact-for-Migration-Apologet Stephan Harbarth wurde aus dem Parlament an die Spitze des Bundesverfassungsgerichts katapultiert, wo er sich in der Sache der ferngelenkten Absetzung des demokratisch gewählten Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich durch Merkel natürlich für unbefangen erklärte.
Nachtrag:
Altbundespräsident Joachim Gauck hat seine Amtszeit von 2012 bis 2017 teilweise als psychisch belastend empfunden. Ich musste Gesetze unterschreiben, die ich selbst nicht vollständig verstanden hatte – da musste ich mich erst mit Verfassungsjuristen besprechen, sagte der 81-Jährige ...
t-online.de 27.10.2021
Horst Köhler gar kam aus Afghanistan und mußte hören, daß er in Abwesenheit schon einem Gesetz zugestimmt habe. Ähnlich erging es Hans Zehetmair mit der Rechtschreib„reform“.
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